Aus den vielen Geschichten, welche die Grazer Burg zu erzählen hat, entstehen im komplexen Gefüge der Stadtkrone die Ge(h)schichte als neu begehbares und erlebbares Ensemble im Übergang vom öffentlichen Freiraum zu historischen Innenräumen im Herzen von Graz. Die Vielzahl wertvoller Schichten und das Verständnis des Weiterbauens und Rügens werden dabei im Inneren und Äußeren zum Entwurfsprinzip und selbstverständlichen Prinzip des Entdeckens. Bislang versteckte Innenhöfe, neu geschaffene Sicht- und Wegbeziehungen sowie hochwertige, begrünte Aufenthaltsräume mit Wasserflächen verschaffen den revitalisierten Hofstrukturen eine neue Präsenz und Anziehungskraft in der dicht bebauten Altstadt. Zukünftige Nutzer:innen fügen in der Konzeption der Ge(h)schichte ganz selbstbewusst eine zukunftsfähige, ablesbare Schicht hinzu, die den historischen und denkmalpflegerischen Belangen gerecht wird.
Historische Höfe
Die Ge(h)schichte beginnt im zentralen Platzgefüge durch den sichtbaren historischen Fußabdruck der Burg mit dem Übergang zum Dom. Sie führt über das Renaissancetor in den repräsentativen ersten Burghof, der durch großzügige, den Achsen folgenden, baumreihen und Wiesenflächen mit Sitzmöbeln in zwei, den Nutzungen entsprechende, Bereiche gegliedert wird. Über den ersten Hof wird der Entdeckungspfad erschlossen, wie auch in einem gemeinsamen Wegenetz den Gebäudekanten folgend die weiteren Höfe miteinander verbunden. Die prägendste Neugestaltung mit Reminiszenzen an den historischen Barockgarten erfährt der zweite Burghof, der über die neu geschaffene Gartenanlage mit Spazierweg vom Domvorplatz zum Registraturtrakt ein wesentliches Bindeglied in den Stadtraum wird. Durch einen großzügigen Wasserlauf, der Ehrengalerie und intensiver Baumbepflanzung wird der Hof zum grünen Erholungsort der Stadtkrone. Im südlicheren Bereich im Übergang zur begrünten Fassade des Schauspielhauses wird der zentrale Fahrradpark vorgesehen. An den nördlichen und südlichen Hofkanten werden die Topographie nutzend Plätze mit Sitzstufen ausgebildet. Vor dem geöffneten und gänzlich durchschreitbaren Arkadengang wird ein großzügiger Platzbereich ausgebildet und der Registraturtrakt selbst über ein Foyer in den dritten Burghof hinein durchwegbar.
Der dritte Burghof wird zum für Graz typischen versteckteren, verwunschenen Innenhof, der mit seinem Obst- und Kräutergarten historische Nutzgärten aufgreift und den Übergang zum Burggarten bildet. Zwischen Obstbäumen gebettet ist die Skulptur des Pfirsichkerns als Grazer Stadtkern vorgesehen. Die klare Teilung in einen angenehm verschatteten Grünbereich und in einen Multifunktionsbereich erlaubt dabei eine größtmögliche Begrünung und Entsiegelung bei gleichzeitiger Schaffung der entsprechenden temporären Parkplätze und multifunktionaler Fläche.
Geschichtete Innenräume
Besonders im Innenraum wird die reiche Historie der Grazer Burg mit der Menge unterschiedlicher (Material-)schichten sichtbar und die Entwurfskonzeption des Weiterbauens zum Leitthema. Die heterogene Oberflächenbeschaffenheit von Wänden und Böden und die darunter liegenden älteren Schichten fungieren als Zeitzeugen der jeweiligen Epoche, ebenso die Formgebung und unterschiedlichen Stilelementen aus der Spätgotik, Renaissance oder der Barockzeit.
Um den Bestand zu wahren und die Innenräume selbst zu inszenieren, setzt sich die neu eingefügte Schicht eindeutig in Oberfläche und Form ab. Homogene Materialien aus recyclebaren Plattenmaterialien, kontrastreiche Farbakzente und klare Geometrien in der Formgebung der Möblierung heben sich von den Bestandsflächen ab. Die Ausstellungskonzeption sieht ein Wechselspiel zwischen der Informationsvermittlung mittels Bild-, Text- und Videomaterial, der Präsentation historischer Exponate und der Inszenierung der Bestandsräume mit ihren historischen Schichten wie restaurierte Malereien und teile der ursprünglichen Stadtmauer als solche vor.
Wiederkehrende Elemente wie eingefügte Wandscheiben, quaderförmige Präsentationstische oder zylinderförmige Sitzmöbel unterschiedlicher Größe und Beweglichkeit ziehen sich als Gestaltungselemente durch alle Innenräume. Drehbare vielseitig bespielbare, transluzente Wandscheiben zonieren Räume trichterförmig, leiten den Besucherstrom und ermöglichen unterschiedliche Raumnutzungen. Dem Bestand vorgesetzte Wandscheiben dienen zur multimedialen Informationsvermittlung und greifen bildlich das Konzept einer neuen Schicht auf. Minimalistische, abgehängte Lichtschienen mit Spots nehmen sich räumlich zurück und gewährleisten eine optimale Beleuchtung der Ausstellungsräume ohne den historischen Gewölben in Konkurrenz zu stehen.